Wissenschaftliches Kolloquium zur Marx-Forschung (März 1998): Resumée

Wissenschaftliches Kolloquium zur Marx-Forschung – März 1998.

Zwischen kritischer Ökonomie und Geschichtserkenntnis.

Seit einigen Jahren bemühen sich institutionell unabhängige Vereine, die Marxsche Theorie historisch-kritisch und im engen Kontext mit der Marx-Engels-Gesamtausgabe zu diskutieren. Am letzten Wochenende haben der Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition und die in Hamburg eingetragene Marx-Gesellschaft e.V. gemeinsam mit den Herausgebern und dem wissenschaftlichen Beirat der „Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge“ erstmals eine gemeinsame Konferenz zu „Geschichte und Ökonomie – ein Spannungsverhältnis in Marx‘ Studien“ veranstaltet. Rund 50 Teilnehmer, darunter allein fünf Wissenschaftler aus Japan, sowie aus Griechenland, Italien und den Niederlande trafen sich in der Europäischen Jugenderholungs- und Begegnungsstätte am Werbellinsee, in der sie beste Bedingungen für die seminaristische Tagung vorfanden.

Eingangs konnten sich alle über die Chancen der MEGA informieren. Der Sekretär der Internationalen Marx-Engels-Stiftung, J. Rojahn, (Amsterdam) sah diese neben den Anstrengungen der beteiligten Institutionen auch in der Bildung von freiwilligen Arbeitsgruppen im In- und Ausland, um den beträchtlichen Teil der noch nicht veröffentlichten Manuskripte und des Briefwechsels von Marx und Engels zu edieren.

In acht Vorträgen wurden interessante Forschungsprobleme angesprochen. Ein Schwerpunkt war die Geschichte und Theorie der zyklischen Krisen in Marx‘ Studien von 1857/58 (M. Krätke, Amsterdam) und im Manuskript zum 3. Buch des „Kapital“ (J. Milios, Athen). Ergänzend berichtete A. Miyakawa (Tokio) über die Diskussionen zu diesem Thema in seinem Land. C.-E. Vollgraf (Berlin) schilderte die editorischen, aber vor allem auch die politischen Aspekte der von Karl und Bendikt Kautsky einerseits und vom Moskauer Marx-Engels-Lenin-Institut andererseits in den 20/30er Jahren veröffentlichten „Volksausgaben“ des „Kapital“.

In einem zweiten Schwerpunkt diskutierte A. Mazzone (Siena) das Verhältnis von Theorie und Gesellschaft im Zusammenhang mit Marx‘ Theorie der kapitalistischen Produktionsweise. D. Behrens (Frankfurt/M.) verdeutlichte am Beispiel von Marx‘ Kritik an der Philosphie von John Locke, dass auf dessen Grundlage eine positive Fassung der Einheit von Theorie und Gesellschaft nicht mehr möglich sei.

Zum Abschluss der Konferenz wurde Neues über die Kooperation zwischen dem Moskauer Marx-Engels-Institut unter Rjazanov und dem von Grünberg geleiteten Frankfurter Institut für Sozialforschung mitgeteilt. F. Melis (Berlin) berichtete anlässlich des 150. Jahrestages des Beginns der Herausgabe der „Neuen Rheinischen Zeitung“ über Details aus der Zeitungsgeschichte und den Schwierigkeiten von Autorschaftsuntersuchungen. Es ist vorgesehen, die Vorträge im diesjährigen Band der „Neuen Folge“ zu veröffentlichen.